Noarderleech in Kriegszeiten

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Genau genommen gehört der Beobachtungsposten im Salzwiesengebiet Noarderleech nicht zum Atlantikwall. Doch der splittersichere Unterschlupf für die Beobachter der Luftwaffe ist ein interessantes Bindeglied zwischen dem Flughafen Leeuwarden und den heftigen Luftkämpfen der Piloten über dem Wattenmeer. 

 

Fliegerhorst Leeuwarden

Der Flughafen von Leeuwarden wurde in den Jahren 1936-1937 am Rande der Stadt gebaut. Vor dem Krieg wurde der Flughafen hauptsächlich für inländische Passagier- und Frachtflüge genutzt. Schon vor der Besatzung erkannten die Deutschen die günstige Lage des Flughafens in Bezug auf die Küste. Unmittelbar nach der Invasion der Niederlande, im Sommer 1940, begannen sie, den Flughafen in einen Militärflughafen umzubauen: einen Fliegerhorst. Täglich arbeiteten mehr als siebentausend Arbeiter an der Errichtung von Start- und Landebahnen, Hangars, Personalunterkünften und Lagerräumen. Der Fliegerhorst spielte eine wichtige Rolle in der heftigen Luftschlacht über den Niederlanden.

Der Luftkrieg in der Umgebung von Noarderleech

Am 12. Mai 1940 wurden die Bewohner der Bauernhöfe hinter dem Seedeich bei Hallum zum ersten Mal mit dem Luftkrieg über den Niederlanden konfrontiert. An diesem Tag machte ein deutscher Jäger, eine Messerschmitt Bf 109, am frühen Nachmittag eine Notlandung im Noarderleech. Der Pilot, der über dem Abschlussdeich mit Flakartillerie beschossen worden war, konnte das Flugzeug unverletzt verlassen. Er wurde zum Flughafen nach Leeuwarden abgeführt. Zwei Tage später kapitulierten die Niederlande. 

 

Im weiteren Verlauf des Krieges stürzten fünf alliierte sowie sechs deutsche Flugzeuge in der Umgebung vom Noarderleech ab. Dabei verloren die meisten alliierten und deutschen Besatzungsmitglieder ihr Leben. In Hallum finden Sie auf dem Gemeindefriedhof noch drei Kriegsgräber. Einige Opfer wurden anderswo an Land gespült, zum Beispiel bei Harlingen, wo sie auch auf dem Gemeindefriedhof begraben wurden. Im Laufe des Krieges wurden auch die Körper von toten Besatzungsmitgliedern, die an anderen Stellen über dem Wattenmeer abgestürzt waren, mit einiger Regelmäßigkeit angespült.

Manchmal gelang es der Crew, das Flugzeug vorzeitig zu verlassen, wie bei der Short Stirling, einem mit Brandbomben geladenen Bomber auf dem Weg nach Emden. Dieser wurde am 7. Juni 1942 über Schiermonnikoog von einer Messerschmitt getroffen und stürzte auf einer Wiese beim Noarderleech ab. Die acht Besatzungsmitglieder konnten sich mit einem Fallschirm retten. Unten angekommen, wurden sie festgenommen. 

 

Schuhe des Wahnsinns

Eine besondere Geschichte ist auch die des Piloten einer amerikanischen B17, die am 11. Dezember 1943 nördlich von Ferwert in der Nähe des Wattendeiches abstürzte. Ein deutscher Offizier, der für die Bergung des Flugzeugs zuständig war, wurde auf einer Farm hinter dem Seedeich untergebracht. Hier wohnte auch Jouke Bouwma, mit dem der Offizier einige Tage lang ein Zimmer teilte. Sehen Sie sich hier an, wie diese Geschichte zu der Ausstellung der ‘Schuhe des Wahnsinns’ im Friesischen Widerstandsmuseum in Leeuwarden führte.

Übungsgelände

Ein Teil des Noarderleech wurde ab August 1940 als Übungsplatz des Fliegerhorstes Leeuwarden genutzt. Deutsche Piloten übten in dem Salzwiesengebiet im Sturzflug das Abwerfen von Übungsbomben aus Beton und Eisen auf Holzmodelle von Schiffen. Während so einer Übung musste der Verwalter des Gebietes, der „Polhoeder“, dafür sorgen, dass sich weder Menschen noch Vieh im Noarderleech aufhielten. Anschließend musste er die Einschlaglöcher der Bomben zuschütten.

 

In diesem Bereich wurden jedoch nicht nur harmlose Übungsbomben abgeworfen. Aus Sicherheitsgründen durften Piloten nie mit Bomben an Bord landen. Also fielen in dem Übungsgelände notgedrungen auch echte Bomben. Ganz in der Nähe des Sommerdeiches brachten die Deutschen in der Landschaft ein großes „N“ an, das die Piloten auf das Vorhandensein dieses Notabwurfplatzes hinwies. Nach so einem Notabwurf mussten die nicht explodierten Flugzeugbomben so schnell wie möglich entschärft werden. Das war natürlich nicht ohne Gefahr. Am 6. Juni 1942 kamen dabei drei deutsche Soldaten ums Leben.

Beobachtungsbunker

1941 wurde auf dem Übungsgelände ein Beobachtungsbunker gebaut, um die Ergebnisse des Übungsbombardements und -beschusses sicher beobachten zu können. Im Bunker war die Heeresleitung durch die mehr als fünfzig Zentimeter dicken Betonmauern gut geschützt. Der erhöhte Boden sorgte dafür, dass der Bunker bei Überschwemmungen des Deichvorlandes nicht überflutet wurde. Auf der Nordseite des Bunkers, über den Beobachtungsschlitzen, war während des Krieges ein großer Spiegel montiert. Dadurch konnten die Aktivitäten der Flieger von allen Seiten beobachtet werden. Die Übungsbomben aus Beton enthielten eine Glaskapsel mit Phosphor. Wenn eine solche Bombe auf dem Boden aufschlug, entstand Feuer und Rauch. Auf diese Weise konnten die Beobachter den Aufprall vom Bunker aus sehen. 

 

Die letzte Bombardierung über dem Übungsgelände fand wahrscheinlich 1944 statt. Kurz vor der Befreiung versuchten die Deutschen noch vergeblich, den Beobachtungsbunker zu sprengen. Der Bunker wurde zwar beschädigt, diente nach dem Krieg jedoch noch als Lagerplatz für den Polhoeder sowie als Kantine für Landgewinnungsarbeiter.

Tödlicher Übungsflug

Auch Übungsflüge konnten gefährlich sein, wie der Tod des 21-jährigen Unteroffiziers Georg Wilhelm, ein Pilot aus Leipzig, zeigt. Am 16. Juli 1943 startete er in seiner Messerschmitt Bf 109 ‘Gelbe 3’ vom Fliegerhorst Leeuwarden, um Übungsbomben über dem Noarderleech abzuwerfen. Anschließend kreiste Georg weiter über dem Gelände, um sich das Ergebnis seines Abwurfes anzusehen. Dabei machte er allerdings einen fatalen Steuerfehler und sein Flugzeug stürzte aus einer Höhe von ungefähr fünfhundert Metern ab. Aufgrund der hohen Geschwindigkeit, mit der Georg Wilhelm auf dem Boden aufschlug, war er sofort tot.

Georg Wilhelm

Das Wrack sackte tief im weichen Boden des Übungsgeländes ein, wodurch es der Luftwaffe nicht gelang, Georgs Leiche zu bergen. Bereits während der Besatzung markierten die Deutschen die Absturzstelle als Feldgrab. Nach der Befreiung wurde das große deutsche Kreuz, das im Gras aufgestellt worden war, durch ein einfacheres Exemplar aus Holz ersetzt. In den siebziger Jahren verschwand schließlich auch dieses Mahnmal.

Der Beobachtungsbunker und das ehemalige Übungsgelände in Noarderleech waren streng genommen nicht Teil des Atlantikwalls. Es sind jedoch wichtige Orte in der Geschichte des Wattenmeergebiets im Zweiten Weltkrieg, die aus diesem Grund zu den zehn Anlagen des Atlantikwalls im Wattenmeergebiet zählen.

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