Im Suchscheinwerfer und Flugabwehrfeuer

Die Flugabwehrkanonen, auch Flaks

Neben der Luftverteidigungslinie mit Jagdflugzeugen und Radarstellungen der Luftwaffe wurde ab Sommer 1940 von der deutschen Kriegsmarine eine Reihe von Flakbatterien und Suchscheinwerfern auf den Watteninseln und entlang der Wattenmeerküste installiert. Diese sollten vor allem die ins Land hineinfliegenden und aus Deutschland zurückkehrenden alliierten Bomberformationen bekämpfen. Dazu feuerten sie gezielt - mithilfe von Radar oder Suchscheinwerfern - auf individuelle Flugzeuge oder nahmen ganze Bomberformationen ins Sperrfeuer. Darüber hinaus fingen Flak Scheinwerfer einzelne Bomber in der nächtlichen Dunkelheit in ihrem Suchlicht ein, die dann von patrouillierenden Nachtjägern abgeschossen wurden.

 

Die wichtigste Marineflakeinheit auf den Inseln Vlieland bis Schiermonnikoog war die Marineflakabteilung 246. Auf Texel und rund um Den Helder waren andere Flakeinheiten aktiv. Ab November 1940 war die Marineflakabteilung 246 auf vier Inseln operationell. Auf Vlieland gab es zwei Batterien (3. Marineflakabteilung 246 Batterie Vlieland West und 4. Marineflakabteilung 246 Batterie Vlieland Ost), ebenso auf Terschelling (5. Marineflakabteilung 246 Batterie Terschelling West und 6. Marineflakabteilung 246 Batterie Terschelling Ost), auf Ameland eine (7. Marineflakabteilung 246 Batterie Ameland), genauso wie auf Schiermonnikoog (2. Marineflakabteilung 246 Batterie Schiermonnikoog). Das Hauptquartier und die 1. Marineflakabteilung 246 Stabsbatterie waren in Harlingen untergebracht. Auf Texel und rund um Den Helder standen 11 weitere Flakbatterien.

Geografische Übersicht deutscher Flakeinheiten im niederländischen Wattenmeergebiet.Hier ist zu sehen, dass auf den Watteninseln und in der Region rund um Den Helder insgesamt 17 schwere Flakbatterien standen.In jeder Batterie waren standardmäßig vier Kanonen aufgestellt. (Koll. NIOD, 1945 - Kaart Duitse Artillerie in Nederland - CAD - Inspectie der Genie 1945 - 1955 doos 20 nr 11310)

Nahezu alle Batterien waren mit vier schweren 10,5-cm-Geschützen ausgerüstet. Das war der Durchmesser der Granaten, die abgefeuert wurden. Mit diesen Kanonen konnte etwa 11 km vertikal und 17 km horizontal gefeuert werden. Zur Abwehr von direkten Luftangriffen auf diese Batterien gab es immer einige leichtere Flak-Geschütze in der Nähe. In Den Helder wurde ein großer Kommandobunker gebaut, von wo aus die Koordination für die Marineflak in dieser Region erfolgte; von Harlingen aus wurde die Flak-Verteidigung von Vlieland bis einschließlich Schiermonnikoog geführt.

Eine 10,5-cm-Kanone in einer drehbaren Geschützkuppel der 4. Batterie der Marineflakabteilung 808 auf De Mok, Texel. Die weißen Ringe rund um den Lauf der Kanone stehen für die Anzahl der von dieser Kanone abgeschossenen alliierten Flugzeuge. (Koll. Hans Nauta)

Einige Flakgeschütze wurden in standardisierten Betonbettungen aufgestellt, manchmal auch in Kombination mit einem Bunker. Das sind sogenannte Regelbauten, die von den deutschen Festungpionieren entworfen und entlang des gesamten Atlantikwalls eingesetzt wurden. Die Bauart war sehr unterschiedlich: Manchmal waren diese Betonbettungen mit einer stählernen Geschützkuppel ausgestattet, manchmal aber auch nicht. Jede Flakbatterie wurde mit zahlreichen großen und kleinen Bunkern ausgestattet. Der wichtigste diente der Waffenleitung (der Flakleitstand). Darüber hinaus wurden in den Bunkern Granaten, Proviant und Wasser gelagert sowie Mannschaften, Küche, Kantine usw. untergebracht. Der Kommandant der Flakabteilung saß in einem Flagruko (Flakgruppenkommandostand). In Den Helder war dies der allgemein bekannte „Kroontjesbunker“ in den Grafelijkheidsduinen. In Harlingen wurde ein solcher Betonkoloss nicht gebaut und der Stab musste sich mit einem großen Backsteingebäude begnügen. Auch ein Dreivierteljahrhundert nach dem Krieg stehen diese Bauwerke noch und sind heute wichtige Kriegsschauplätze.

 

Darüber hinaus wurden um die Radarstellungen Tiger und Schlei und in der Verteidigung um den Flugplatz De Vlijt auf Texel mehrere leichtere Luftwaffen-Flaks stationiert. In der Tiger-Stellung auf Terschelling standen zum Kriegsende sechs 2-cm-Flaks zur Verteidigung gegen tief fliegende alliierte Flugzeuge.

 

Zwischen 1941 und 1944 wurden von den Flakbatterien im niederländischen Wattenmeergebiet nachts schätzungsweise 52 Bomber abgeschossen. Darunter waren 13 Flugzeuge, die in Zusammenarbeit mit Nachtjägern in den Sektoren Tiger, Schlei und Eisbär abgeschossen wurden. Zwischen 1943 und der Befreiung im Mai 1945 war die Flak auch tagsüber gegen die amerikanischen Bomberformationen, die über das Wattenmeer flogen, aktiv. Dabei wurden mehrere schwere amerikanische Bomber abgeschossen.

Im Suchscheinwerfer und Flugabwehrfeuer. Ein britischer Bomber wird an Heiligabend 1940 von einem Suchscheinwerfer über dem Hafen von Den Helder eingefangen und von Flak bombardiert. (Koll. Karl Köster).

Das Wrack der Lancaster W4126 der 44. Staffel, die am Abend des 17. Dezember 1942 auf einem Bombenflug nach Nienburg von verschiedenen Marineschiffen und acht verschiedenen Flakbatterien auf Texel und in Den Helder beschossen wurde und Feuer fing. Nur einer der sieben Männer an Bord schaffte es, mit dem Fallschirm aus dem Flugzeug zu springen, kurz bevor es um 18.43 Uhr in De Westen (Den Hoorn) auf Texel abstürzte und vollständig ausbrannte. (Koll. Wim Govaerts)

24. - 25. Februar 1942

Zwei doppelte Flak- und Nachtjäger-Siege bei Terschelling

Um die Zusammenarbeit zwischen den deutschen Nachtjägern und Flaks, aber auch ihre Konkurrenz zu veranschaulichen, erzählen wir hier die Geschichte von zwei Doppelsiegen bei Terschelling. In der Nacht vom 24. auf den 25. Februar 1942 wurden 23 britische Bomber eingesetzt, um entlang der niederländischen Watteninseln Minen abzuwerfen. Zwischen 20.53 und 23.05 Uhr „pflanzten“ sie ihre Magnetminen in die Konvoiroute. Zur Verteidigung der Minenleger flogen etwa zehn deutsche Nachtjäger unter Aufsicht der Radarstellungen im niederländischen Wattenmeer Patrouillen. Unter ihnen waren mindestens drei Messerschmitts Bf110 der II./NJG2, die vom Flugplatz Leeuwarden aus patrouillierten.

 

Porträtfoto von OLt. Egmont Prinz zur Lippe-Weissenfeld, dem Staffelkapitän (Kommandant) von 5./NJG2. (Koll. Wim Govaerts)

Zwei Minenleger, beide Hampdens der 144. Staffel, kehrten nicht zurück. Beide wurden Opfer von OLt. Prinz zur Lippe-Weissenfeld, einem österreichischen Nachtjäger-Ass edler Herkunft, der das Kommando über die 5./NJG2. führte. Zur Lippe flog in dieser Nacht unter Führung des Sektors Tiger auf Terschelling. Sein erster Sieg (und sein 16. insgesamt) war die AT194, die um 21.49 Uhr aus 300 Metern Höhe nördlich von Terschelling ins Meer stürzte. Nur 13 Minuten später fiel sein zweites Opfer, die X2969, in exakt dem gleichen Gebiet ins Meer; bei seiner Rückkehr nach Leeuwarden berichtete der Nachtjäger, dass er es geschafft habe, die Hampden in 200 Metern Höhe zu treffen, woraufhin die in Flammen aufgegangene Maschine im Meer verschwand. Sieben der acht Besatzungsmitglieder gelten bis heute als vermisst; ein Pilot wurde an der dänischen Küste angespült und in Lemvig begraben.

Flight Sergeant Lord Bruce Thomas Dundas, mit dem Rücken zum Bild, im engen Cockpit der Hampden X2969 der 144. Staffel.Dieser Lord Dundas of Orkney kam gemeinsam mit seiner Besatzung in der Nacht vom 24. auf den 25. Februar 1942 in der X2969 ums Leben.Alle gelten bis heute als vermisst. (Koll. Andy Bird)

Eine Marineflakbatterie auf Ameland, die 7. Marineflakabteilung 246, behauptete ebenfalls, beide Maschinen abgeschossen zu haben. Im Kriegstagebuch der Marineflakabteilung 246 wird dies detailliert beschrieben:

 

Ameland. 21.25 – 23.02 Uhr Alarm. Um 21.42 Uhr Beschuss einer feindlichen Maschine nördlich von Ameland, die aus östlicher Richtung einflog, mit 41 10,5-cm-Granaten. Höhe 2000 – 700 Meter. Entfernung 4,9 – 4,2 – 9,5 Kilometer. Das Ziel flog in einer Kurve nach Norden, woraufhin ein Feuerschein über den Wolken sichtbar wurde und das Flugzeug um 21.43 Uhr in helle Flammen gehüllt ins Meer stürzte. Um 22.03 Uhr Beschuss einer zweiten feindlichen Maschine nördlich von Ameland, mit 20 10,5-cm-Granaten. Höhe 1000 – 800 Meter, Entfernung 7,0 – 9,6 Kilometer. Es wurde ein Feuerschein wahrgenommen, der um 22.04 Uhr ins Meer stürzte.

 

Die gleiche Flakbatterie nahm während des Alarms drei weitere Minenleger unter Beschuss, ohne jedoch Treffer wahrzunehmen.

 

Es ist nicht bekannt, ob Zur Lippe einen Teil der „Beute“ zugesprochen bekam. Es ist jedoch bekannt, dass der Flakbatterie auf Ameland am 26. März und 16. Juni 1942 beide Abschüsse offiziell von höherer Stelle zuerkannt wurden. Im deutschen Militärsystem wurde der Wettbewerb zwischen verschiedenen Einheiten der Streitkräfte gefördert - in vielen Fällen kämpften die Nachtjäger und die Flaks mit allen Mitteln um die Schusserlaubnis auf einen bestimmten Bomber oder Minenleger. Im Falle des Abschusses in der Nacht vom 24. auf den 25. Februar 1942 scheint es, dass die Marineflak schließlich die Erlaubnis bekam.

Ein Stirling-Bomber wird mit sechs 1500 Pfund schweren Magnetminen beladen, die mit Fallschirmen versehen sind. (Koll. S.A.A.)

21. - 22. Januar 1943

Kriegsmarineflak und Nachtjäger schießen im Wattenmeergebiet sechs „Gärtner“ und einen Bomber ab

In der Nacht vom 21. auf den 22. Januar 1943 fand in der mittleren Phase des Luftkriegs eine britische Standard-Bomberkommandooperation statt. 82 Flugzeuge wurden entsandt, um zwischen 19.37 und 20.03 Uhr die Stadt Essen zu bombardieren, während 70 Flugzeuge zwischen 18.10 und 19.43 Uhr mehrere hundert Magnetminen auf den Schifffahrtsrouten entlang der Watteninseln abwarfen. Vier Lancaster kehrten nicht aus Essen und sechs nicht von der „Gärtner“-Operation zurück.

 

Obwohl in dieser Nacht Vollmond war, kamen die deutschen Nachtjäger wegen starker Wolken, Regen und schlechter Sicht entlang der Bomberflugrouten nicht wirklich zum Zug. Nur zehn bis fünfzehn Nachtjäger patrouillierten unter Führung von Bodenradar gegen beide Streitkräfte. Diesen gelang es, im Wattenmeergebiet einen Bomber und einen Minenleger abzuschießen; die Flak vernichtete darüber hinaus in nur einer Dreiviertelstunde fünf „Gärtner“. 

Eine 8,8-cm-Flak im nächtlichen Einsatz. (Koll. Horst Jeckel)

Das erste Opfer der Flak war die Wellington HE410 der 466. Staffel. Die Maschine wurde zwischen 18.00 und 18.06 Uhr bei Terschelling von der 5. Batterie der Marineflakabteilung 246 (Terschelling-West) unter Beschuss genommen und nahm daraufhin beschädigt Kurs Richtung friesisches Festland. Sie wurde nochmals von der Flak getroffen und machte um 18.20 Uhr bei Wirdum eine Notlandung, bei der einer der Piloten ums Leben kam. 17 Minuten später wurde eine zweite Wellington, die BK432 der 429. Staffel, von der Flak der Stabsbatterie der Marineflakabteilung 246 bei Harlingen getroffen und explodierte bei Roptazijl im Wattenmeer. Um 18.58 Uhr folgte eine dritte Wellington (die BJ966 der 420. oder die X3873 der 427. Staffel), die bei Borkum im Suchscheinwerfer eingefangen und von Marineflak getroffen nördlich dieser Insel abstürzte. Eine Viertelstunde später wurde eine Halifax der 76. oder 158. Staffel bei Wangerooge von Flakgeschützen abgeschossen. Und schließlich geriet um 18.45 Uhr eine zweite Halifax der 76. oder 158. Staffel bei Borkum in den Suchscheinwerfer und wurde sofort unter Flakbeschuss genommen. Eine Minute später wurde auch diese vom Nachtjäger Hptm. Prinz zur Lippe-Weissenfeld, der im Sektor Jaguar patrouillierte, angeschossen und verschwand bei Borkum im Meer. Alle 30 Piloten an Bord dieser fünf Minenleger wurden getötet; nur drei von ihnen haben ein bekanntes Grab.

Uffz. Georg „Schorsch“ Kraft und sein Funker Gefr. Erich Handke flogen in dieser Nacht vom Stützpunkt Leeuwarden aus erst ihren dritten operationellen Einsatz, wie Handke sich erinnert:

„Wir waren der zweite Jäger der ersten Patrouillen, der abflog; der erste war bereits Richtung Tiger (Terschelling) unterwegs. Schorsch setzte sich bereits in sein Cockpit, startbereit; ich blieb am Telefon und wartete auf weitere Anweisungen. Hptm. Ruppel (der Kommandant der Jägerleitoffiziere in der Provinz Noord-Nederland) erteilte uns den Befehl, zum Radarsektor Hering (bei Medemblik) zu fliegen und wies uns eine gute Startbahn zu. Aber dann spielte sich ein echtes Drama ab: Zuerst starteten beide Motoren nicht, dann waren beide Akkuwagen und unsere Bordakkus leer, bis schließlich doch einer der Motoren startete. Dadurch verloren wir mindestens sechs Minuten. Als wir endlich aus dem Hangar rollten, war der Befehl zum Abheben widerrufen worden, aber das hatten wir nicht gehört. Normalerweise, kontaktiert der Pilot, sobald er in Richtung Start rollt, immer den Kontrollturm, um die Startbahnbeleuchtung einschalten zu lassen. Das war dieses Mal nicht möglich, weil unser Bordakku noch leer war, und es bis nach dem Start dauern sollte, bis die Generatoren in unserem Flugzeug in der Lage waren, Strom zu liefern.

 

Und so kam es dazu, dass wir bei Dunkelheit, ohne Erlaubnis und ohne Kontakt mit dem Kontrollturm von der falschen Start- und Landebahn abflogen, und auch noch sechs Minuten zu spät (um 18.53 Uhr)Zu allem Überfluss waren die Kabel im Fliegerhelm von Schorsch nicht angeschlossen. So konnten wir die ersten drei Minuten nicht miteinander reden, bis ich bemerkte, was los war und es ihm zuschrie. Erst dann konnte ich Kontakt mit dem Kontrollturm aufnehmen; die waren erstaunt, dass wir überhaupt in der Luft waren. Eine Minute später beschloss Hptm. Ruppel dann, dass wir Patrouille im Sektor Salzhering (Den Helder) fliegen sollten.

Da wir noch blutige Anfänger waren, wussten wir in dem Moment nicht mehr, was wir nun machen sollten

In Salzhering angekommen, war es über die Kurzwellenfrequenz sehr schwierig, Funkkontakt mit dem Kampfleiter dieses Sektors aufzunehmen. Wir wurden auf Kurs geschickt, um ein zurückkehrendes feindliches Flugzeug abzufangen, aber wir verloren bald den Kontakt zur Bodenführung, weil die Tommies unsere Funkfrequenz störten. So war dieses erste Abfangen nicht gelungen. Ich machte außerdem den Fehler, den Transformator in meinem Lichtenstein-Bordradar sofort einzuschalten, ohne die Röhren vorher aufwärmen zu lassen; daraufhin war mein Radar für den Rest der Nacht ausgeschaltet. Glücklicherweise flog ein weiteres britisches Flugzeug durch unseren Sektor, und diesmal gelang es mir trotz der feindlichen Einmischung, jedoch mit größter Mühe, die Funkverbindung mit der Bodenführung zu halten. Es war Vollmond und die Sichtweite betrug etwa eineinhalb Kilometer, sodass der Verlust unseres Bordradars keine komplette Katastrophe war. Außerdem wurden wir vom Boden gut geführt. Da der Feind in einer Höhe von 6000 Metern flog, beschlossen wir, auf 5800 Meter zu gehen. Auf diese Weise bekam Kraft Sichtkontakt mit dem Feind etwa zwei Kilometer vor uns. Es stellte sich jedoch heraus, dass die Maschine 200 Meter tiefer flog als wir, was bedeutete, dass das große Würzburg-Radargerät in Salzhering eine Abweichung von etwa 400 Metern hatte, was wir später nie mehr erlebten. Darüber hinaus flog der Tommy im Zick-Zack und änderte ständig die Höhe. Wir flogen mit Vollgas auf ihn zu.

 

Langsam, aber sicher konnten wir die Silhouette eines viermotorigen Bombers erkennen. Da wir noch blutige Anfänger waren, wussten wir in dem Moment nicht mehr, was wir nun machen sollten, wie wir uns an den Tommy anschleichen sollten, und machten darum alle möglichen Anfängerfehler. Anstatt sich ihm aus einem schrägen Winkel oder von der Seite zu nähern, flogen wir direkt auf sein Heck zu. Aufgrund der guten Sicht hätte der Heckschütze uns schon längst bemerkt haben müssen, aber möglicherweise war er durch das ständige Zick-Zack-Fliegen durchgeschüttelt geworden und musste erst wieder zu sich kommen. Wie dem auch sei, wir kamen ungesehen immer näher. Ich hatte übrigens auch vergessen, die Heizung anzustellen und einen Kurs zu bestimmen, den wir nach unserem Angriff nehmen konnten. Wir identifizierten den Feind als eine Lancaster.

 

Als wir ungefähr 200 Meter unter der Lancaster flogen, zog Schorsch viel zu schnell hoch. Schließlich feuerte er aus einer Entfernung von 300 Metern, ohne die Lancaster voll zu treffen - er hatte den Schalter zum Abfeuern des Geschützes nicht weit genug eingedrückt und schoss darum nur mit vier Maschinengewehren. Jetzt war der Heckschütze der Lancaster natürlich wachgerüttelt worden und schoss zurück, doch sein Feuer flog über uns hinweg, da der Bomber im gleichen Moment zu einem steilen Tauchflug ansetzte. Schorsch tauchte direkt hinterher und feuerte weiter. Jetzt drückte er kräftig auf die Schalter und feuerte mit allen Geschützen. Dadurch explodierte der rechte Flügel der Lancaster, aber eine Sekunde später wurden wir von einer Wolkenbank verschluckt, die von Westen her aufgezogen war. Wir verloren den brennenden Bomber aus den Augen, auch da wir jetzt alle Hände voll mit uns selbst zu tun hatten.

Ich wurde inzwischen hinten im Flugzeug hin- und hergeschüttelt und stand Todesängste aus

In dem steilen Tauchflug hatte sich unser künstlicher Horizont überschlagen, womit wir unser wichtigstes Blindfluginstrument verloren hatten. Da wir unseren Tauchflug in die Wolken nicht richtig eingeschätzt hatten, verloren wir schnell 2000 Meter an Höhe. Erst in einer Höhe von 3400 Metern begann unsere Maschine wieder horizontal zu fliegen, jedoch noch immer in den Wolken. Daraufhin flogen wir einige Minuten lang allmählich nach oben, bevor Schorsch die Maschine endlich wir unter Kontrolle brachte. Ich wurde inzwischen hinten im Flugzeug hin- und hergeschütteltund stand Todesängste aus - wir befanden uns über dem Meer, 40 km von der Küste entfernt. Schorsch hatte auch die Nase voll. Schließlich überprüften wir, ob beide Triebwerke noch funktionierten und dachten darüber nach, wie wir der Bodenführung erklären sollten, dass wir auf ein feindliches Flugzeug geschossen hatten, ohne es abgeschossen zu haben. Es gab nichts Schlimmeres, als Hptm. Ruppel melden zu müssen, dass wir nur „Feindkontakt“ gehabt hatten. Ich kündigte schließlich per Funk an: „Angriff beendet“, und „Kurier in Vorhängen“ (feindliches Flugzeug in den Wolken)Am Boden, so erfuhren wir später, verstanden sie jedoch: „Kurier ausgeschaltet“.

 

Als wir zu unserer Heimatbasis zurückflogen, fühlten wir uns so elend, dass wir es kaum wagten zu landen. Zurück am Boden (um 20.37 Uhr) wollten wir am liebsten im Boden versinken, doch der Bus, der uns abholen sollte, kam sehr schnell. Wir dachten: „Verdammt, jetzt kriegen wir was zu hören“, aber nichts passierte. Wir waren gerade im Kontrollturm angekommen, als Major Lent und Hptm. Ruppel auf uns zu kamen und uns zu unserem ersten Sieg gratulierten! Wir waren völlig sprachlos, bis wir eine Erklärung bekamen. Major Lent hatte, 20 Minuten bevor er selbst seinen 50. nächtlichen Sieg erringen sollte, gesehen, wie „unser“ Tommy in Flammen gehüllt aus den Wolken auftauchte und ins Meer stürzte. Das wurde auch durch Beobachtungen aus dem Sektor Hering bestätigt. Natürlich waren wir erleichtert und froh. Für unseren ersten Sieg erhielten wir von unserem Kommandanten das Eiserne Kreuz Zweiter Klasse. Wir hatten dafür 80 Granaten und 1250 Maschinengewehrkugeln verbraucht.“

Fw. Erich Handke. (Koll. Melvin Brownless)

Es sollte schließlich noch bis zum 24. September 1944 dauern, bevor die Besatzung Kraft/Handke ihren ersten Sieg offiziell zuerkannt bekam. Georg Kraft war zu diesem Zeitpunkt bereits sehr mehr als 13 Monaten tot; er kam im August 1943 um. Ihr Gegner war eine Lancaster W4340 der 103. Staffel, die um 19.52 Uhr auf dem Rückweg von Essen 40 km nördlich von Den Helder im Meer verschwand; ihre 7-köpfige Besatzung gilt bis heute als vermisst. Major Helmut Lent, der Kommandant von Kraft und Handke, schoss um 20.11 Uhr im Sektor Schlei (Schiermonnikoog) einen Wellington-Minenleger ab, der 30 km nördlich von Schiermonnikoog ins Meer stürzte. Auch diese komplette Besatzung gilt als vermisst. Eine weitere blutige Nacht im Wattenmeergebiet ging zu Ende.

Opfer von Marineflak. Während einer Minenlegeroperation in der Nacht vom 18. auf den 19. Februar 1942 wurde die Hampden AD915 der 420. Staffel von Suchscheinwerfern auf Borkum eingefangen und von der 6. Batterie der Marineflakabteilung 216 auf dieser Insel angeschossen. Die Maschine machte um 22.05 Uhr eine missglückte Notlandung auf dem Nordseestrand von Schiermonnikoog, bei der zwei der vier Crewmitglieder ums Leben kamen. (Koll. Wijb-Jan Groendijk)

19. - 20. September 1943

Die Halifax an der Hafenmole von Harlingen

Am 20. September 1943 flog die Halifax DG252 der 138. Staffel 26 Minuten nach Mitternacht im Niedrigflug aus nördlicher Richtung zum Hafen von Harlingen. Die 138. Staffel führte Sonderaufträge aus; die DG252 sollte vermutlich Waffen für den niederländischen Widerstand abwerfen. Die Halifax flog direkt in ein Wespennest: 11 Minuten zuvor war in Harlingen der Flak-Alarm losgegangen, weil der Lärm britischer Flugzeugtriebwerke in der Nähe abgefangen worden war und die deutschen Marinebehörden deshalb sicherheitshalber die Flakstellungen in Harlingen einsatzbereit gemacht hatten. Am nächsten Tag wurde der Kampfbericht von den leichten Flakeinheiten der Marineflakabteilung 246 in Harlingen erstellt: 

„Es war Vollmond und klare Sicht bis zu 5 km. Das Flugzeug wurde sofort als feindliche viermotorige Halifax identifiziert, um 00.27 Uhr von Suchscheinwerfern der taktischen Stellungen 4/25/101 und 4/25/102 eingefangen und von der taktischen Stellung 4/5/1 mit 20 2-cm-Granaten beschossen. Die Schüsse erreichten ihr Ziel: Es wurden Treffer im Cockpit des Bombers registriert. Rauch trat aus dem Flugzeug, das schnell an Höhe verlor, mit seinem linken Flügel gegen die Hafenmole schlug und um 00.28 Uhr ungefähr 50 Meter nördlich davon in einem flachen Winkel ins Wasser stürzte und auseinanderbrach. Nach ungefähr 4 Minuten ging die Maschine unter.

 

Während der Bombardierung feuerte das feindliche Flugzeug auf die Suchscheinwerfer-Stellung 4/25/101.Diese wurde nicht getroffen; die Kugeln schlugen vor der Stellung ein und niemand wurde verletzt.Eine Hafenwache und ein Zollschiff brachten uns direkt an die Stelle, an der das Flugzeug abgestürzt war und die von zwei schwimmenden Schlauchbooten markiert wurde.Eines dieser Schlauchboote und eine Vielzahl an Wrackstücken wurden geborgen.Das Schlauchboot selbst war leer.Gegen 8 Uhr morgens wurde eine Leiche im Wasser in der Nähe der Absturzstelle gefunden.“ (Dabei handelte es sich um den Navigator F/O James Brown).

 

Am 27. September 1943 wurde noch hinzugefügt:

 

„Die genaue Absturzstelle des feindlichen Flugzeugs wurde ermittelt. Ein Taucher aus Wilhelmshaven hat einen Teil des Flugzeugrumpfes geborgen; er enthielt große Mengen an Propagandamaterial, das von der Luftwaffe zur weiteren Untersuchung mitgenommen wurde. In den kommenden Wochen werden die restlichen Teile des Flugzeugwracks geborgen.“

Pilot Officer George A.Berwick DFM, der 26-jährige Flugingenieur der Halifax DG252 der 138. Staffel gemeinsam mit seiner Frau Elizabeth (Betty) Berwick. (Koll. Sandra Uden, über Kelvin Youngs/ aircrewremembered.com)

S/Ldr Wilkin und seine vierköpfige Crew, allesamt hochdekorierte Veteranen, kamen an der Harlinger Hafenmole ums Leben. Der Navigator F/O James Brown wurde in Harlingen begraben, der kanadische Pilot Richard Pennington Wilkin wurde Mitte Oktober 1943 am Strand von Terschelling angespült und in West-Terschelling begraben. P/O George Alfred Berwick (der Flugingenieur) wurde bei Pietersbierum gefunden und dort bestattet, und F/O Hugh Burke (Funker) spülte am Seedeich von Ameland südwestlich von Nes an, wo er am 11. Oktober 1943 seine letzte Ruhestätte fand. Nur der Heckschütze F/Sgt Albert Hughes hat kein bekanntes Grab und gilt bis heute als vermisst.

Situationskarte des Abschusses der Halifax DG252 der 138. Staffel in der Nacht vom 19. auf den 20. September 1943 im Hafen von Harlingen durch die 1. Marineflakabteilung 246. Solche Situationskarten wurden von der siegreichen Einheit standardmäßig und mit der größten Sorgfalt erstellt und als Beweis verwendet, um später von den deutschen Behörden einen Sieg zuerkannt zu bekommen. (Koll. BA/MA, RM122-413)

Ein Halifax-Bomber, der Flugzeugtyp, der bei Harlingen abgeschossen wurde. (Koll. Tony Hibberd)

Die vergessene Geschichte des Wattenmeergebietes